ANSELM KIEFER – « Poussières d’étoiles »

ANSELM KIEFER - "Poussières d’étoiles" Au Grand Palais

Steht man vor dem Werk Aks, kann man nur schweigen und dem Augenblick das Privileg der Stille überlassen an der Schwelle zu einer vornehmlich trostlosen Welt. Man kann fast nicht anders als der Stille die Herrschaft zu überlassen. Eine Stille, bestimmt wie das Heraufbeschwören dieser Werke als Inspiration unserer herumirrenden Blicke,verloren in der wabernden Luft rund um die geschichteten Bunker, verlassen, sich zur Leere öffnend, durchdrungen von leisen Atemzügen, mit sich schleifend Literaturbruchstücke, die das Wesentliche erklingen lassen.

Wie immer habe ich mich wenig darum gekümmert und mich sogar davor gehütetirgend etwas zu lesen, bevor ich die Ausstellung im Grand Palais besucht habe. Es schien mir wichtig, völlig unbelastet und frei von jeglichen Vorurteil mich dorthin zu begeben, damit das von diesen Werken hervorgerufenen Gefühl in mein Herz eindringt, und vor allem, mir die Zeit zu geben, mir bewusst zu werden, was ich gespürt habe. Ich habe keine Lust, diese mittels des Menschen zu erklären, sie nervös (aufgeregt)zu intellektualisieren und in epileptischer (überhohter )Manier in einen Kontext zu stellen.

Das hieße, das Werk von seinem Staub zu befreien, einem Sternenstaub, mit dem es sich ummantelt hat, mikroskopischer Wächter seines zerbrechlichen Gleichgewichts Ganz nüchtern und kühl betrachtet, was ist Kiefer? Beton, Bunker, Erde, Steine, getrocknete Gräser,und Farbe, die in ihrer Struktur an Holzkohle erinnern. Alles ist schwer und schwerfällig ruht es auf dem Boden, dahin gestellt, als ob die « Installationen » von irgendwoher herunter gefallen wären, aber vor allem als seien sie aus der Vergangenheit, von gestern zurückgekommen, um zu versuchen, bei Null wiederanzufangen.Kiefer, das ist Deutschland, seine traurige und düstere Geschichte, der Krieg, aber auch sein Ringen um die weltweite Anerkennung, um auf den Ruinen seiner Niederlage zu jubilieren und wieder atmen zu können. Wozu also noch tiefer in diese Richtung graben? Das verbrannte Buch ist aussagekräftig genug.

Aber siehe da, plötzlich und auf wundersame Weise spielt sich etwas in einem Bruchstück des Bewußtseins ab….Die Bücher wurden bewahrt für den Neuanfang. Berührt man sie,werden sie weiter zerbröckeln. Die angebrochenen Gleichgewichte können durchaus weiter brechen, schaffen neue Risse und Kompositionen. Die auf den ersten Blick chaotischen Kompilationen offenbaren schließlich eine Harmonie,nämlich die der Leere in Konfrontation mit der Dichte der Materie, eine in erster Linie kakophonische Harmonie, die sich sodann alsmehr und mehr eng bemessen und temperiert erweist und sich letztlich als außergewöhnlich kontrolliert entpuppt.

Nichts ist dem Zufall überlassen und im Detail betrachtet, aus der Nähe oder der Ferne (es gibt keine Regel) enthüllt sich uns auf delicate Weise das Werk Kiefers. Bereits in der Komposition des Werks scheinen die Zufälle, die Bedenken, die Versuchungen, die Irrfahrten, so lehrreich sie auch sein mögen ,sich zu vervielfachen, bis dass der Künstler erkennt, dass sein Werk vollendet ist, dass sich die Offensichtlichkeit seiner Autonomie aufdrängt und dass das Ganze an diesem unsichtbaren Faden hängt, aufgehängt inmitten der Sterne, den Himmel mit der Erde verbindend.

Die Leere ist allgegenwärtig und die Werke AKs sind von ihrer Umgebung beherrscht ,wie auch sie sein mag. Die Bunker sind hin zur Leere geöffnet, die Risse seiner Farben, die Dicke, der sanfte Kontakt des bemalten Blechs auf der Leinwand, manchmal über den Rahmen hinausragend, erlauben der Luft sich einzuschleichen und zu zirkulieren.

Die Leere nimmt schließlich Substanz an und unterstützt darin eine andere, bildliche organische, mineralische, unendlich poetische Substanz. Die Materialien werden im wesentlichen und im substantiellen poetisch.

Nein, Kiefer « badet nicht im Elend” (so wie die Zeitschrift Beaux Arts Magazine,in einem Artikel  » für und wider Kiefer » es nennt,und der mir beim Durchblättern aufgefallen war, ). Es wäre zu einfach, Kiefer eine so überhebliche Absicht zu unterstellen. Nur Zola war in der Lage, an einer unanständigen und ekelerregend verherrlichenden Beschreibung der Misere Gefallen zu finden.

AK geht nicht von Elend aus sondern von dem sogennanten Chaos. Ein glorreich göttlicher Atem erhebt sich aus den Ruinen und der Zerstörung. Er baut und errichtet im Maßlosen eine tiefe Poetisierung des Raums, die den des Geistes und der Sprache verstärkt. Uber der betonierten Architektur herrscht die Hoffnung des Möglichen. Nämlich die, die Hand zu reichen, um den Himmel zu streicheln, unter unseren Händen den Sternenstaub zu spüren, und wenn eine Leiter auftaucht, zB in der bildlichen Komposition zu Paul Celan , so ist dies eine Einladung an uns, uns zu erheben und auf die andere Seite der Mauer zu gehen , über der Farbe hinaus. Was steckt dahinter? auf der anderen Seite?

Die Bunker haben keine Türen, es gibt nichts als ihren Standort, alles ist offen, der Welt zugewandt, der Geschichte entwachsen. In welchen Dimensionen sind wir dabei zu reisen ?in Richtung Celine, /Celan, Khlebnikov ? Welche Offensichtlichkeit, die Gegenwart des russischen Theoretikers « ZAOUM » , « Vater » der « Suprematistichen Philologie » als Ausdruck des Umgangs mit der Welt und der Inkarnation des Gefühls – sozusagen als Möglichkeit, sich aus der Welt zurückzuziehen, um ihre Quintessenz zu erreichen.

Anselm Kiefer mißt den Takt eines Augenblicks an der Kreuzung der Geschichte, Zeit und Raum. Er fördert uns auf, die Stufen hoch zu fallen, um uns aufzurichten, damit wir die magische und tragische Position des Künstlers heiligen, wie der Schriftsteller gegenüber der Geschichte.Das Ausmass der Huldigung, die er Louis Ferdinand Céline entgegen bringt, erinnert an die männliche Brutalität dieses französischen Schriftstellers, seine Hellsichtigkeit in dem Sturm der unvergeßlichen « Reise an das Ende der Nacht. » Tatsächlich gibt es nichts mehr zu sagen. Diese Kraft ist glühend.

Wie aus dem schwarzen Chaos eine poetische Materie als Zuflucht herausfiltern.? Wie kann man ein Wesen, das von der sonderbaren Schwärze der Welt getränkt ist, in Schaffenskraft umwandeln, die dem masslos gemässigten Trieb gleicht ?

Anselm Kiefer hat den Raum des Grand Palais überwältigt, um der Welt das zu geben, was ihr bleibt und ihr gehört, die Erinnerung, dass die Eroberung der Schönheit letztlich über das Chaos und die Düsternis triumphiert.

                                          
   Charlotte Waligora
2007